Archiv
WAZ 21.6.1999
Gründerzeit
liegt fast im Dunkeln
111 Jahre Oberhausener Schachverein
Die über hundertjährige Geschichte des Oberhausener
Schachvereins 1887 ist nicht nur die Geschichte eines Vereins, sondern
auch ein Spiegelbild der deutschen Geschichte.
Wenig ist aus
der Vereinsgeschichte vor 1914 bekannt. So ist auch das Gründungsjahr
1887 nur durch mündliche Überlieferungen aus den 30er Jahren
überliefert worden. Rare zeitgenössische Belege nennen 1892 das
"Central-Hotel" des Fritz Kehr (am Bahnhof) als Spiellokal, 1893 zwei
gewonnene Korrespondenzpartien mit der Duisburger Schachgesellschaft
und 1896 den Schlossermeister Karl Schneider und dessen Gesellen
Wilhelm Ranfft als Teilnehmer eines Schachkongresses in Köln.
Ferner ist Franz Paßmann, seines Zeichens Bauunternehmer, als
Mitbegründer und im Jahre 1905 als Vorsitzender belegt. Ab 1927
Ehrenmitglied gehörte Paßmann bis zu seinem Tode 1939 dem OSV an.
Irgendwann zwischen 1907 und 1911 löste sich jener "Oberhausener
Schachklub" auf. Erst im März/April 1921 bildete sich eine "Freie
Schachvereinigung" im Restaurant Gaul (Sedanstraße), die im Oktober
1921 als 0berhausener Schachverein" mit 18 Mitgliedern dem Deutschen
Schachbund beitrat. Unter den namentlich bekannten Mitgliedern
überwiegen Kaufleute und Beamte bzw. Akademiker. Konfessionell nicht
gebunden, lassen sich jedoch auch Mitglieder jüdischen Glaubens
nachweisen.
Seine erste Blütezeit erlebt der Verein in der
zweiten Hälfte der 20er Jahre, als die Vereinsmeisterschaften jeweils
zwischen 30 und 55 Teilnehmer aufweisen. Spitzenspieler waren Oscar
Rittershaus mit drei (bis 1934) sowie Wilhelm Jung und Walter Krabb
(Vorsitzender 1921-1929) mit je zwei Vereinsmeisterschaften.
1933 erfolgte die Zwangseingliederung der Vereine in den Großdeutschen
Schachbund (GSB). Die Arbeiterschachvereine wurden sofort verboten
während die katholischen Vereine organisatorisch ausgegrenzt und
schließlich 1937 doch aufgelöst werden mußten. Auch beim OSV wurden
jüdische Mitglieder, wie z.B. der Vereinsmeister 1932/33 Gerd
Rosenbaum, ausgeschlossen. Ob durch Druck von außen oder durch
vorauseilendem Gehorsam" läßt sich nicht mehr feststellen.
Schließlich verlor der Verein zwischen Mitte 1934 und Anfang 1936 etwa
drei Viertel seiner Mitglieder und zog sich 1935 vom
Mannschaftsspielbetrieb zurück. Entgegen der Vorschriften des GSB blieb
Wilhelm Keitlinghaus weiterhin Vorsitzender (1929 1943), obgleich er
erst 1937 per Gesetz als Beamter NSDAP-Mitglied wird.
Das
sportliche Geschehen prägten neben Rittershaus vor allem Erich
Uhlenbrock und Karl Kubach. 1940/41 kam es - nun im Rahmen der KdF
Schachbewegung - zu einer kurzen Blütezeit. Doch schon im Herbst 1942
zwang der kriegsbedingte Mitgliederrückgang zur Bildung einer
Spielgemeinschaft mit der Schachortsgruppe Sterkrade West. Mit der
Ausbombung des Spiellokals im Sommer 1943 wurde der Verein faktisch
aufgelöst.
Im Mai 1944 endete die letzte (der erstmals 1932
ausgetragenen) Oberhausener Stadtmeisterschaft, bei der Oscar
Rittershaus nach 1933 und 1934 seinen dritten Titel holte. Nur der
Sterkrader Theodor Loosberg (Sieger in den Jahren 1932,1935,1938, 1943)
war noch erfolgreicher gewesen. Im Dezemeber 1944 stellten die drei
letzten Vereine ihren Spielbetrieb ein, und mit dem Einmarsch US
amerikanischer Soldaten Mitte April 1945 ging auch für Oberhausen der
Zweite Weltkrieg zu Ende.